Danke Frau Nörgel oder wie Finley zu seinem Namen kam
Viele von Euch kennen ja schon Frau Nörgel, eine meiner „liebsten“ Nachbarinnen.
Für Nichteingeweihte, kommen hier ein Ultra-Kurzportrait: Meine Nachbarin, Frau Nörgel ist eine Frau in den blühenden Siebzigern. Das drahtige Persönchen ist etwa 1,60 groß. Ihre pechschwarz gefärbten Haare, trägt sie als schicke Ponyfrisur. Wenn sie redet, wirft sie ihren Haarkranz keck nach hinten und erinnert mich dabei ein wenig an die Sängerin Mireille Matthieu – den Spatz von Avignon. Frau Nörgel weiß wirklich alles, was in unserer Siedlung so passiert. Und was sie nicht weiß, erfindet sie…
Frau Nörgel hasst Veränderungen. Insbesondere Veränderungen im Privatleben ihrer Nachbarn und auf deren Grundstücken. Zumindest kommt Frau Nörgel umgehend ihrer Chronistenpflicht nach und sorgt für eine schnelle Verbreitung der Breaking-News. In Nullkommanix, macht sie die Angelegenheiten ihrer Nachbarn zu ihrer Mission und bietet „Lösungen“ an, natürlich stark beeinflusst durch ihren persönlichen Geschmack.
Wie Frau Nörgel zu Hunden steht, also das ist gar nicht so leicht zu beschreiben. Ich würde das Verhältnis mal als zwiegespalten beschreiben. Irgendwie ganz niedlich, diese Felldingse, solange sie leise sind, keinen Schmutz machen … und nicht auf den Grünstreifen vor ihrem Panoramafenster kacken…. Mit anderen Worten, seit Finley bei uns eingezogen ist, haben wir unser Konfliktpotential vervielfacht.
Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Hunde-Begegnung. Frau Nörgel kam gemessenen Schrittes an meinen Bonanza-Zaun und fragte: „Wie heißt er denn?“ Das tat sie recht freudlos, ohne ihren starren Blick von dem Haufen abzuwenden, den mein Welpe gerade auf dem Grünstreifen vor ihrem Panoramafenster abgesetzt hatte …. upsi… Dann sah sie mich an und lächelte kalt. Ich hatte echt ein schlechtes Gewissen – Anfängerfehler!
Also, ich wurde rot bis unter die Haarwurzel und stotterte: „Ähmmm, ich mache das natürlich sofort weg, äh sauber …. klinisch rein, wollte ich sagen, bestimmt.“
Frau Nörgel setzt nach: „Und? Der Name…“
Ich antwortete: „Also da sind wir uns in der Familie noch nicht einig.“
„Wie, Sie haben sich nicht rechtzeitig um einen Namen gekümmert“, trötet Frau Nörgel durch den morgendlichen Nebel. Ich fühlte mich augenblicklich wie eine Mutter, die ihr Kind sträflich vernachlässigt hatte. Und bevor sie hinter ihrer Hecke verschwand, sagte sie: “Na, WIR werden schon den richtigen Namen für den Kleinen finden. Ich denke mal drüber nach.“
WIR? Habe ich richtig gehört? Ich stand kurz vor einer Panikattacke. Frau Nörgel hatte ihre Söhne nämlich Horst Paris Nörgel und Jochen Hermes Nörgel genannt. Griechische Halbgötter als Paten für die Zweitnamen, das nenne ich mal ein Alleinstellungsmerkmal. Stellt Euch das mal auf Bewerbungsschreiben vor. Meine Fantasie schoss wilde Purzelbäume. Vor meinem inneren Auge sah ich mich, wie ich, gefangen in einer Endlosschleife, kleinlaut an Frau Nörgels Haustür klingelte und immer wieder zugeben musste, dass mein Kleiner namenlos war und Frau Nörgel gegen meinen Willen beschloss, das der Kleine Zeus heißen solle… Nein, das durfte nicht passieren!
„Wir haben schon einige Namen, die in die engere Wahl kommen“, beeilte ich mich zu sagen. Was gelogen war, aber in der Not… Die Wahrheit war, wir kamen interfamiliär einfach nicht auf einen Nenner. Woran misst man das eigentlich, ob ein Name der Richtige für seinen eigenen Hund ist?
Dass sich die Namensfindung für unseren Hund, so schwierig gestalten könnte und dass plötzlich alle Familienmitglieder ein Wörtchen mitreden wollten, hatte ich nicht erwartet. Meine Familie, versorgte mich üblicherweise mit Bemerkungen wie: „der Hund ist Dein Ding“, „nur, wenn Du das alleine machst“, „also ich geh’ nicht mit dem Hund, Mama“, „Birgit, das ist Dein Hobby, nicht meines“. Plötzlich, so ganz aus dem Nichts, mischten sich alle massiv ein.
Ich war damals voll auf dem Bullerbü-Trip. Ein Hund in unserer Familie, das komplettierte das Wattebausch-Bild, dass ich vor meinem inneren Auge entstehen ließ. Wenn nicht alle dagegen gewesen wären, hätte Finley gute Chancen gehabt, den Namen eines dicken, lethargischen Bernhardiners zu bekommen. Heute muss ich ja zugeben, dass Filme wie „Ferien auf Saltkrokan“ nicht unbedingt die besten Influencer bei der Namensfindung sind. Sonst würde mein Hund heute Bootsmann heißen und meine zweite Tochter Scrollan. Für beides – O-Ton, zweite Tochter – hätte ich „gehauen gehört und wäre wahrscheinlich eines Nachts auf nimmer Wiedersehen im Wald verschwunden.“
Dann dachte ich, Mensch, er ist doch’n Hamburger Jung’, der braucht was typisch Hamburgisches. Also ließ ich meine Seele baumeln. Wir schlenderten durch den Hamburger Hafen, über die Kais an den Schiffen vorbei. Dann lief ich mit meinem Hund am Elbestrand entlang. Wir ließen uns den Wind um die Ohren wehen und sahen den Bugwellen der Dampfer zu, wie sie am Sandstrand brachen. Smutje und Fiete kamen auf die Liste. Diese Vorschläge lösten orkanartige Böen in meiner Paarbeziehung aus. Hatte ich schon erwähnt, dass mein Liebster Österreicher ist?
O-Ton mein Angetrauter: „Also, ICH stehe bestimmt nicht auf dem Weg und brülle laut Fiete in den Wald. Dann machst Du das alleine.“ Da ich zu den vorausschauend denkenden Planern gehöre, überschlug ich kurz meine Optionen. Der Hund, hat zirka 15 Lebensjahre im DNA-Code. Und das allein, jeden Tag? Ne, die Aussicht war alles andere als prickelnd. Also kamen die plattdeutschen Namen wieder runter von der Liste.
Also, ich fasse mal zusammen: Ich musste einen Namen finden der 1. österreich-kompatibel war, 2. meine Tochter nicht dazu veranlasste, mich hinterrücks zu meucheln, 3. keine Bullerbü-Bezüge aufwies und zu guter Letzt 4. auch mir gefallen musste. Puhhhh!!!
Punkt Zwei und Drei waren relativ leicht einzuhalten – Pelle, Kalle, Lasse – alles gestorben. Deal! Aber für Punkt Eins und Vier brauchten wir eine Titulierung aus der neutralen „Namens-Schweiz“. Probleme sind dazu da, gelöst zu werden – generalstabsmäßig. Deshalb starben auch Seppi, Seppl, und Michel. *gottseidank
England oder Schottland, dachte ich … ja, das könnte klappen und es würde auch irgendwie zu unserem, schon im Welpenalter etwas schrulligen Rüden passen. Also dachte ich an alte Leards, die Highlands in denen ich als Teenager für kurze Zeit gelebt hatte, Tea at five und Rugby….
Fen, das heißt Moor. Oder Fergus, der Mann der Kraft. Finnegan, leider irisch … Finley, der „kleine, blonde, tapfere Krieger“. Ja, ich fühlte, das passte auf meinen renitenten, süßen Fratz. Mein Herz wurde leicht, ich war glücklich.
Da meldete sich meine liebe Nachbarin nochmal aus dem Off: „Wie wäre es mit Ramses?“. Sie lugte erwartungsvoll über ihre Hecke. Ääägypten? Okay, ich wusste es schon zu schätzen, dass Frau Nörgel den Namen eines der größten Herrscher des altägyptischen Reiches für meinen Finley für angemessen hielt und das sagte ich ihr auch. Dann teilte ich ihr freudestrahlend mit, dass wir uns für „Finley“ entschieden hatten. Sie guckte etwas konsterniert, murmelte im Weggehen etwas vor sich hin. Ich verstand nur einzelne Wortfetzen: „…ja, ganz nett…“, „…beliebiger Name aus dem Fußvolk…“, „…könnte heißen wie ein König…“ und „…jeder eben wie er kann…“.
Genau, dachte ich und grinste. Jeder eben wie er mag… *kichergurgelprust … Jochen Hermes …. Horst Paris … Agnes Nörgel, was hast Du nur getan…