Rüden und Rüpel – Friedenspolitik im Vorstadtwald
G4 fast G5 – Rüden-Gipfel-Treffen im Vorstadtwald
Mon Dieu! War das ein Morgenspaziergang. Wir hatten Rüden-Gipfel-Treffen in unserem Revier.
Offensichtlich hatten sich heute alle Herrchen und Frauchen auf dieselbe Gehzeit geeinigt. Der Morgen war milde und nicht so heiß wie in den letzten Tagen. Finley und ich wollten das ausnutzen und ein paar Suchspiele auf unserem Spaziergang einbauen. Aber dann kam alles anders.
Kaum hatten wir unsere Straße verlassen, wurden wir von Sverre gestellt und verbellt. Sverre ist ein Westhighland Terrier und wird vorzugsweise, wenn überhaupt, an einer nicht arretierten Flexileine „geführt“. Wenn Sverre einen anderen Hund sieht, gerät er regelmäßig so außer sich, dass man die Befürchtung haben muss, es würde ihn sogleich der Schlag treffen, und er würde auf der Stelle auf unserem heimischen Wanderweg dahingerafft. So ist es dann aber nicht. Seine hysterischen Anfälle ermüden ihn nicht, sondern scheinen ihn ständig wieder und wieder mit neuer Energie zu versorgen. Er ist gewissermaßen ein angreifendes, wadenzwickendes, kläffendes Perpetuum mobile.
Ich sage übrigens so wenig über sein Herrchen, weil es wirklich nichts Erwähnenswertes über ihn zu sagen gibt. In solchen Momenten verfällt der Jochen nämlich in der Regel in eine Art Schockstarre, hält den Griff der Flexileine fest und starrt ohne etwas zu sagen oder irgendeine Regung zu zeigen, auf sein Gegenüber, in diesem Falle auf uns. Da ich das ja schon weiß, hielt ich mich heute nicht mit Nebensächlichkeiten, wie Grüßen u.s.w. auf und wendete mich in dieser Situation an das einzige denkende Wesen in meiner Nähe, nämlich Finley. Ich sagte: „Du nicht!“ Finley, der seine Rute schon auf halbmast gehisst hatte, takelte wieder ab und wir setzten unseren Spaziergang in entgegengesetzter Richtung fort.
Zwei Abbiegungen weiter trafen wir „Rüpel“ und sein Frauchen. Doooch, der heißt so und sein Name ist Programm. Rüpel steckt gerade knietief in der Pubertät. Ich habe übrigens die ausdrückliche Erlaubnis seiner Leute, seinen Klarnamen zu benutzen. Rüpel ist ein Labradoodle – silver factored -, wie mir sein Frauchen Beate mal erzählt hat. Was ja, meiner Meinung nach nichts anderes bedeutet, als dass außer einem Labrador und einem Pudel auch andere Jagdhunderassen ihre Spuren in seiner Blutlinie hinterlassen haben. Jedenfalls scheint sein äußeres Erscheinungsbild ein deutliches „Call me Rauhaar-Weimi“ auszusenden. Aber hey, wen interessiert das schon, er ist ein toller Bursche.
Friedensverhandlungen mit Rüpel
Wie dem auch sei, Finley und Rüpel verstehen sich eigentlich ganz gut … also, so lala … manchmal knallt es halt … Was immer auch passiert, wenn die Zwei zusammen sind, Beate und ich drehen öfter mal eine Gassirunde zusammen. Nennt es Abenteuerlust, nennt es Ignoranz – wir nennen es „Himmelarsch-das-muss-doch-funktionieren“. Und heute hat es funktioniert. Harmonisch war es … nicht direkt. Die Burschen sahen sich an, stellten ihre Ruten hoch, bauten sich kastig auf, Beate und ich seufzten.
Dann verfolgten wir das Gespräch unserer zwei Unterhändler:
Rüpel: „Na Opi, kannste noch…grrr…grrr…“
Finley: „Pass bloß auf Du Rotzlöffel … Grrrr…Grrr…“
Beate und ich: „SEUFZZZZZ!“
Rüpel: „Die Damen sind sauer … nicht gut … grummel…“
Finley: „Stimmt, die gönnen einem aber auch nichts mehr …“
Rüpel: „Wenn wir jetzt Stress machen Alter, dann kriege ich heute keinen Ochsenziemer mehr …. Frieden?“
Finley: „Geht klar Kleiner, dann Chillen wir mal unsere Basis…“
Verhandlungsergebnis: 20 Minuten stilles Nebeneinanderhergehen, gemeinsames Schnüffeln, gemeinsames Markieren strategisch wichtiger Anlaufpunkte, Beate und ich konnten entspannen, haben nett geklönt und uns für den Abend auf ein Glas Wein in meinem Garten verabredet. Yep, so geht Friedens-Politik.
Dann trennten sich unsere Wege. Gedankenverloren hingen Finley und ich unseren Tagträumen nach, da kam unsere nächste Herausforderung um die Ecke geschossen. Armand! Ich nenne ihn immer unseren Vorstehdackel, denn egal was oder wen er erblickt, er nimmt eine korrekte Vorstehhaltung an bevor er dann, mit Gebrumm, auf das Objekt seiner Aufmerksamkeit zuschnellt. Begleitet wird Armand von seiner Entourage, bestehend aus seinem joggenden Frauchen Geli und deren zwei kleinen Kindern. Geli hat immer Stöpsel in ihren Ohren und hört Musik über ihr I-Phone, auf einem Bobbycar folgt die vierjährige Cèline, verfolgt – oder sollte ich sagen gejagt – von ihrem sechsjährigen Bruder Pièrre, der auf seinem viel zu großen Cityroller alles gibt.
Armand und seine Entourage – Hundebegegnung mit Musik
Auf einer Strecke von etwa 50 Metern ereigneten sich dann diese Geschehnisse:
Die Kinder fuhren in verschiedene Richtungen, Céline fiel in die Brennnesseln, ihr Bruder schlug mit seinem Roller laut johlend auf einen Gehölzhaufen ein, Geli fiel das I-Phone runter, der Pièrre schmiss seine kleine Schwester noch mal in die Brennnesseln, weil sie sich aus seiner Sicht viel zu schnell beruhigt hatte. Geli regte sich fürchterlich auf.
Wen wundert es da noch, dass Armand glaubte, er müsse die Vorhut machen, damit seine Entourage sich hinter ihm ungestört aufführen konnte wie die Marx Brothers. Nur, den Hund zu verstehen machte die Situation für Finley und mich nicht weniger unangenehm. Ich sagte also wieder: „Du nicht!“ Finley wirkte zwar ein wenig enttäuscht, aber er machte widerstandlos kehrt. Wir wollten einfach nur nach Hause laufen.
Da rief die Geli uns hinterher: „Du könntest mir ja auch mal helfen, die Drei zu bändigen.“ Hörte ich da einen Vorwurf in ihrer Stimme? Langsam drehte ich mich um.
Ich schaute sie an und sagte dann: „Geli, pass mal auf. Dein Mann arbeitet im Homeoffice. Er könnte doch leicht mal eine halbe Stunde auf die Kinder achten, damit Du mit Armand joggen gehen kannst. Das würde die Situation für Dich deutlich leichter machen.“
Eigentlich hatte ich es nie ganz verstehen können, warum bei Geli jede Gassirunde zum groß angelegten Familienausflug mutieren musste. ‚Mach es doch komplett‘ dachte ich im Stillen, es fehlten eigentlich nur noch Oma und Opa und die örtliche Blaskapelle zum totalen Chaos. Laut sagte ich: „Geli, das ist wirklich nicht meine Aufgabe. Ich habe jedes Mal genug damit zu tun zu verhindern, dass unsere Jungs sich in die Wolle kriegen.“
Armand – gerettet – geläutert – gefüttert…
Sie antwortete: „Also Armand ist doch ganz friedlich, der will überhaupt keinen Ärger, der hat so viel Schlimmes hinter sich, der ist froh wenn er seine Ruhe hat.“ Ja ne is‘ klar, denke ich, jetzt zückt sie wieder die Armer-Hund-Karte im Schwarzer Peter Spiel. Armand ist nämlich ein Mischling aus dem Tierschutz, laut Auskunft der Retter-Orga eine „charmante, schwarzweiße Mischung aus Dackel und einer anderen Jagdhunderasse“. Armand hatte zuvor, geschätzte fünf Jahre, als Straßenhund in Italien gelebt und hatte sich dann, als Bestandteil seines Rentenplanes, als zu rettendes Exemplar in das Hunderegister der Tierschutzorganisation aufnehmen lassen. Aus meiner Sicht ist Armand ein sehr selbstständiger, selbstbewusster, kleiner Kerl, der genau weiß was er will und wer das für ihn erledigen soll.
Ich musste Grinsen und antwortete: „Also Geli, Dein Hund ist alles andere als hilflos. Es wäre aber für ihn sicher auch mal ganz nett, wenn Du die ganze Verantwortung für eure Spaziergänge übernehmen würdest.“ Geli sieht mich fragend an…
Ich redete einfach weiter: „Dein Hund merkt, dass Du durch das Musik hören abgelenkt bist. Er übernimmt dann die Aufgabe, Eure Tour abzusichern und ranzt alles an was ihm entgegenkommt. Wenn Du mal auf die Musik verzichten würdest, hätte er vielleicht das Vertrauen, dass Du das auch schaffst und könnte sich mehr entspannen.“
Enrico C. die Abrissbirne! Nix wie weg hier!
Man konnte es förmlich sehen, wie es hinter Gelis Stirn arbeitete, dabei wollte ich nicht weiter stören und machte mich mit Finley schnell auf den Heimweg. Und dann hörten wir IHN bellen, noch weit weg aber unverkennbar. Enrico C., die Abrissbirne war unterwegs im Vorstadtwald. Finley warf mir einen Blick zu, och-nö-nicht-der schien er zu sagen. Ich nickte und sagte: „Komm Finley, den müssen wir heute nicht treffen, wir nehmen die Abkürzung.“
Im Moment liegt mein Dickerchen erschöpft und irgendwie zufrieden auf seinem Kissen und träumt vor sich hin. Gelegentlich brummt er, zappelt mit den Pfoten und seufzt. Ich habe ja den Verdacht, dass er im Traum gerade all‘ die Dinge nachholt, die er vorhin nicht machen durfte…
Solche Spaziergänge darf ich mitunter auch erleben. Das ist soooooo ätzend ! Ich kann Finley verstehen, selbst ich würde da gerne mal zwischen gehen
Ja Petra, manchmal möchte man dazwischen springen aber wir wissen ja, dass das auch nichts bringt. 😉
Hach, zu schön, und was Geli betrifft hast dünkt so Recht.
Hast du ja … dämliches iPad hahahaha
😀
Danke Thomas. 🙂
herrlich, lesen ist Abenteuer im Kopf. Danke das ich an Eurer Hunderunde teilhaben dürfte.
Das hast Du schön gesagt, Marcus. Danke Dir.
Wunderbar geschrieben und so wahr… Mein Labradoodle könnte sich da gut mit einreihen… Ich musste es einfach auf meinem Blog teilen.
Danke Katja 😀 ich schaue gleich einmal bei Dir vorbei <3
Großartig!
Wunderbar beschriebener Gassirundenalltag.
Besonders gefällt mir „Rute auf Halbmast hissen“ und „wieder abgetakelt“.