Läufigkeits-Report Teil 1 oder Spießrutenlauf durch die Vorstadtwälder
Bei uns in der Hamburger Vorstadt ist ALLES läufig. Es ist gewissermaßen Karnevalssaison für Vierbeiner, nur dass am Aschermittwoch leider nicht Schluss damit war. Bei uns zuhause herrscht Ausnahmezustand. Eine riesige, rosarote Wolke „Eau-de-Nimm-Mich“ wabert über unseren Wäldern, über unseren Straßen, in unsere Gärten hinein.
Mein Finley ist ein wenig von der Rolle. Okay, er jault nicht und er versucht nicht abzuhauen. Es ist viel schlimmer. Er leidet still, steht morgens seufzend auf der Terrasse und zieht sich den verführerischen Duft laut durch die Nase. Dann wirft er mir einen verhangenen Blick zu, der sagt „ich wüsste, was jetzt meine verdammte Pflicht wäre, Frauchen…“. Er tut mir so leid, mein Bärchen. Es gibt halt Wünsche, die kann ich ihm nicht erfüllen.
Und dabei wird es uns von den Hündinnen und ihren Haltern nicht gerade leichtgemacht, enthaltsam zu bleiben.
Der erste Spießrutenlauf des Tages steht an. Wir sind gut vorbereitet. Ich habe Finley ein Geschirr angelegt und die Drei-Meter-Schleppleine im Stahlring eingeklickt. Eine fette Leberwurst lauert im Leckerchen-Täschchen auf ihren Einsatz. Mein Hund ist mit der Nase hart am Asphalt und hat eine Spur aufgenommen. Ich habe es längst aufgegeben, ihn in dieser Extremsituation „erziehen“ zu wollen. Er ist geistig weg, im hardcore-grenzdebilen Bereich. Keine Chance für mich auf seine Aufmerksamkeit. Also beschränke ich mich auf das, was ich in solchen Momenten leisten kann – ich halte ihn einfach fest.
Und dann trifft man sie, die Riege der hoffnungslos, unbekümmerten Hündinnen-Halter. Unsere Bilanz, nach einer halben Stunde Hunderunde (nur die Highlights):
Eine frei laufende Hündin mit Stehtagen, brettert von rechts in meinen Bären hinein. Er ist leicht benommen von dem harten Aufprall. Ich nutze die Chance und stoße die Hündin mit der Hand weg von uns. Die fletscht mit den Zähnen und schnappt nach mir. Autsch! Finley ist gerade keine große Hilfe…
Drei Yorkshiredamen an drei! Flexileinen (nicht eingerastet) toben auf uns zu. „Vorsicht, die sind läufig!“, ruft mir ihr Halter immerhin zu. Finley hat sich hingelegt. Nun muss man wissen, dass ein Goldenrüde in der Lage ist, sein Gewicht spontan zu verdreifachen, wenn er sich von einem Ort nicht wegbewegen möchte. Verstand im Eimer, Leberwurst egal – her mit den Mädels!
„Was ist…“, fragt der Yorkie-Halter ungeduldig, „…wollen sie nicht mal woanders hingehen?“ Na klaaar denke ich, ich habe zwar gerade gefühlte, höchst unwillige, potenzgeschwängerte 100 Kilogramm Retriever-Muskelmasse an der Leine, aber – kein Problem, Du Honk!
Laut sage ich: „Sieht das für sie so aus, als hätte ich die Wahl?“ Und: „Ihre Hündinnen sind leichter als Wattebäusche. Könnten Sie nicht vielleicht einen anderen Weg einschlagen – BITTE?“ Nörgelnd zieht er ab. Ich bin langsam reif für ein Anti-Aggressions-Training.
Dann kommt eine ältere Dame mit einem Spaniel-Mädchen um die Ecke. Angeleint führt sie ihre läufige Hündin an meinen Rüden heran, mit den Worten: „Na Du Armer, darfst Du gar nicht mal? Das mit Euch würde aber hübsche Babys geben. Na, aber schnuppern darfst Du schon, gell?“ Finley reißt wild an der Leine, ich mache eine Gedankennotiz, ‚Hanteltraining, wieder aufnehmen’. Außerdem kriecht in mir sowas wie Sponti-Hass hoch und ich explodiere: „Spinnen sie eigentlich? Das ist alles ohnehin schon schwer für meinen Rüden. Das ist ja so, als würden Sie vor einem Verdurstenden mit einer Flasche Wasser herumfuchteln und sie im letzten Moment wieder wegziehen. Das ist grausam. Hau’n Sie ab – JETZT!!“
Ich höre noch die Worte „hysterisch“ und „unentspannt“, dann zieht die Spanielfreundin von dannen.
Finley und ich, wir sind beide erschöpft. Ich habe tatsächlich ein schlechtes Gewissen, wegen der alten Dame. Sie weiß es wohl nicht besser. „Lass’ uns nach Hause gehen“, sage ich müde zu Finley. Wir machen uns auf, in den sicheren Hafen, unser Zuhause und ich denke ’Home, sweet home …..’
Fortsetzung folgt…..
Ich, Lychee, muss was dazu loswerden da ich gerade läufig bin!
Du tust mir wirklich leid 🙁
Alle sollten miteinander freundlicher und respektvoller umgehen.
Und dann hätten wir auch weniger Probleme.
Bei mir laufen so viele Rüden frei und ich bin immer an der Leine und die springen mich an
Liebe Lychee,
das ist natürlich auch nicht richtig. Ihr Hündinnen müsst natürlich auch vor unseren Casanovas geschützt werden.Gegenseitiger Respekt und umsichtiges Verhalten ist auf beiden Seiten gefragt.
Liebe Birgit,
ich muss dir jetzt mal was gestehen: Die Hundewelt ist einfach ein Chaoshaufen, aber du bringst sie für mich mit deinen humorvollen Texten in Ordnung 😉 Dankeschön!
Herzlichst, Anna
Gerne doch, Anna 🙂 und herzlichen Dank für Deine netten Worte. Dem Chaos begegnet man doch am Besten mit Humor…..
Köstlich dieser Tatsachenbericht und leider – zwar nicht so amüsant zu beschreiben – aber leider in diesen „Tagen“ auch am Rhein Tatsache.
Wuff und LG Aiko
Vielen Dank 🙂 und höchst solidarische Grüße an den Rhein. 😉
Ach was habe ich gelacht..
Sehr lebhaft geschildert – toller Schreibstil.
Ich schließe mich meiner Vorrednerin an: Mehr Rücksichtnahme von beiden Seiten und alles wäre schön ( meistens jedenfalls)
Ich hab zwei Hündinnen und erlebe während der Läufigkeit auch immer wieder spannende Begegnungen mit Besitzern von Rüden. Es ist ja so, dass man nicht vom Geschlecht des Hundes auf die geistige Umnachtung mancher Besitzer schließen kann.
Ich habe auch schon viel Spaß mit wirklich großen, potenten Rüden gehabt, die teilweise das dreifache meiner Hündinnen wiegen, während die Besitzer weit weit weg waren und ich mit angleintem Hund ja auch nicht viel machen kann..
Aber für uns Besitzer von Mädchen ist das wenigstens nur ein paar Wochen im Jahr so.. Für Rüdenbesitzer kann das im blödesten Fall über Monate so gehen.. Ihr habt also mein Mitleid.. Und mein Schmunzeln
Liebe Grüße
Lizzy mit Emmely und Hazel
Vielen Dank für Deine netten Worte 😀 . Bei uns sind es Gott sei Dank auch bestimmt eingegrenzte Kernzeiten. Und das mit der gegenseitigen Rücksicht, also ich habe noch nicht aufgegeben. 😉
Liebe Grüße,
Birgit und mit Finley, der gerade ein wenig abgelenkt ist….
Ja, ich finde ja schade, dass sich das nicht durchgesetzt hat mit den rosa Halstüchern für läufige Hündinnen. So als Zeichen von weiten. Aber Hundehalter, die ein rosa Halstuch nutzen würden, sind auch die, mit denen man als Halter eines Rüden eigentlich die wenigsten Probleme hat. Die wissen nämlich was Sache ist. Sobald ich weiß, dass eine läufige Hündin in der Nähe ist, und wenn man immer fast die gleiche Strecke geht und seinen Hund gut kennt, weiß man ja die Vorzeichen zu deuten, ist meiner an der Leine. Aber geht ganz gut auf die Schultern etc. manchmal.
Zum Schwerer werden: Das kann unser Labrador auch ganz gut. Ich hab die Theorie, das Hunde schon längst das Beamen erfunden haben und in dem Moment eine viertel Tonne Zement in den Arsch gebeamt werden. Will der Hund weiter, zack, Scotty beam it weg …
Grüße Bella
Hallo Bella,
das mit dem Zement werde ich beim nächsten Spaziergang einmal überprüfen. 😉
Und die rosa Halstücher wären wirklich mal eine gute Idee.
Liebe Grüße, Birgit
Da habt ihr Zwei es gerade genauso schwer wie wir *schnauf*. Ganz toll geschrieben!!!
Einsicht ist hier auch eher nicht zu erwarten und ich muss ständig mit Weitsicht auf alles Rücksicht nehmen, was besser mal bei 3 auf dem Baum wäre.
Mir ist letzte Woche auch so ein Spontanausraster passiert und das ist echt verrückt, man fühlt sich nach so einer unkontrollierten Aktion auch noch schuldig…anstrengende Zeit, ich fühle mit dir!
LG Danni & Watson
Liebe Danni,
danke für Deine netten Worte. 🙂
So ein kleiner Ausraster darf schon mal sein, wenn der Kesseldruck im oberen Bereich liegt 😉
Solidarische Grüße, Birgit und Finley
Armes Bärchen, trotzdem hab ich mal wieder herzhaft gelacht … Danke
Gerne Thomas und das „Arme Bärchen“ ging ihm runter wie Öl. 😉
Hallo Allerseits
Ich habe meinen Rüden sterilisieren lassen (nach langer Diskussion mit dem TA der das nicht, sondern eine Kastration, machen wollte). Daher durfte er dann, wo sich die Gelegenheit bot Allerdings haben nicht alle Hündinbesitzer mir das auch geglaubt mit der Sterilisation, war auch lustig
Ich halte Sterilisation auch für besser, als Kastration.
Allerdings würde ich nicht soweit gehen und sagen, dann darf er mal…. Da kann ich die Hündinnenbesitzer schon verstehen.
Idgie hat ihre Läufigkeit gerade hinter sich. Wir verlassen unseren Ort, damit die Alleingassigänger vom Duft verschont bleiben und gehen zu Zeiten, da niemand anders unterwegs ist. Das haben wir auch in D so gehalten, nur mussten wir da wirklich morgens um 5 laufen :-O