Himmel, Donner und Hagelsturm – Berg und Tal Report 4
Abenteuerurlaub in der Steiermark – Halbpension mit Unwetter
Wenn ein Steierer sagt, „Es kummt a G‘witter“, verändert er seinen ganzen Habitus. Als meine Schwiegermutter das zum ersten Mal zu mir sagte, bekam sie einen leicht gequälten, sorgenvollen Gesichtsausdruck und ihre Pupillen weiteten sich angstvoll. Dann dreht sie sich zu mir um, dämpfte die Stimme und fügte noch hinzu, „An Hoagel wiads a geb’n“. Danach herzergreifende Seufzer und Abgang. Da stand ich dann mit dieser Info und meiner norddeutschen Seele und dachte – jaaa, und…? Dann hagelt es eben, meine Güte das haben wir in Hamburg ganzjährig jeden zweiten Tag – kein Grund zu jammern.
Schneeschieber im Einsatz und das im August – hat was…
Dann jedoch wurde der Himmel so schwarz wie in einem Harry-Potter-Film, wenn die Dementoren ausziehen den Guten die Seele aus dem Körper zu saugen. Und als wäre das noch nicht genug „Drama-Baby“, schossen tennisballgroße Hagelkörner vom Himmel und demolierten im Umkreis von etlichen Kilometern alles, woran das Steirerherz so hing. Die Kürbis- und Obsternte war ernsthaft gefährdet, bei meinen Schwiegereltern waren Fenster, Gewächshaus und das Dach stark beschädigt worden. Jedes „Jöööö“ und jeder Seufzer hatten vollste Berechtigung. Im Stillen leistete ich zähneknirschend Abbitte bei meiner Schwiegermutter und fing an, die Berge von Hagelkörnern mit dem Schneeschieber vom Pool wegzuschaufeln. Mein Autodach hatte ein paar hässliche Dellen davongetragen, die mich fortan immer ermahnten, dass ich besser auf meine Schwiegermutter hören sollte. *knirsch
Genauso war es gestern wieder. Wir saßen mit unserer Tante und unserem Cousin ganz gemütlich im Garten beim Egidiwirt und haben wunderbar gegessen. Unser Sitzplatz lag unter einer herrlichen Pergola, die mit Wein und Holunder berankt war. Finley hatte es sich gleich neben mir bequem gemacht und lag im Schatten zweier großer Hortensienbüsche. Hach, so stellt klein Erna aus Hamburg sich die Steiermark vor. Doch noch bevor wir aufgegessen hatten, schwärmten die Dementoren aus und brachten die Dunkelheit mit sich. Ich überlegte schon, ob es nicht besser wäre ins Haus zu wechseln. Aber der nette Kellner vom Egidiwirt ließ vom Chef ausrichten: „Naaa, Ihr könnt’s scho sitz‘n bleib’n, des Dach hoalt des aus …“
Blinde Zuversicht zeichnet den Steirer ganz allgemein aus
Was soll ich sagen – es hielt nicht. Schon die ersten Hagelbrocken erzeugten Risse im Plexiglasdach. Finley blieb erstaunlich ruhig aber er setzte sich auf und warf mir diesen „Es-ist Zeit-zu-gehen-Blick“ zu. Wir wechselten in den Schankraum, dort hatten die Einheimischen den Ausnahmezustand ausgerufen. Jeder von Ihnen fragte sich, ob er zuhause alle Fenster geschlossen hatte oder ob nun Bäche von Eiswasser durch ihre Flure und Zimmer flossen.
„Mei und die Mutter is ganz alloa dahoam“, rief eine Frau am Nebentisch. Die Feuerwehr war schon alarmiert und fuhr laufend irgendwelche Einsätze. Die Männer im Schrankraum liefen immer wieder unruhig zur Tür um einen besorgten Blick auf ihre vormals blitzblank geputzten Autos zu werfen. Wir Norddeutschen hingegen saßen mit stoischer „Es-is-wie-es-is-Haltung“ am Tisch und aßen fertig. Schließlich sind wir inzwischen dellenfest.
Finley tröstet so gut er kann und heimst viel Lob ein
Finley entdeckte in diesen Momenten sein bisher verborgenes Talent zum Therapiehund und ging abwechselnd immer zu Denjenigen, die am aufgeregtesten waren. Dann setzte er sich neben sie, stupste sie kurz an und ließ sie sich ihren Stress wegstreicheln. Natürlich ganz uneigennützig, mein Bärchen. Die unzähligen „Mei is der liab“, „Bist a Guada“, „So an Bärli“, „Mogst a Wuascht?“, „Mogst an Kaas?“, dürften bis zum nächsten Steiermark Urlaub als Sympathievorrat ausreichen.
Aufmunterung bitte nur vom Hund!
Was gleichzeitig vor der Tür geschah, könnt Ihr auf meinem Video sehen. Die Zustände erinnerten mich an den Tornado in Meiendorf und Volksdorf von vor zwei Jahren. Da ich die Stimmung auch ein wenig auflockern wollte und die Anwesenden a Bisserl aufmuntern wollte, zeigte ich den Egidigästen meine Tornado-Videos aus Hamburg. So nach dem Motto „Den haben wir schließlich auch überstanden“. Tja so groß können Mentalitätsunterschiede sein …. nur soviel dazu, hat nicht funktioniert. Mein Berlingo hat jetzt also auch steirische Hagel-Dellen auf dem Dach und der Motorhaube. Ich betrachte das einfach mal als den steirischen Ritterschlag für meine Autos.
Während der Rückfahrt nach St. Lorentzen hatte man streckenweise das Gefühl durch eine Winterlandschaft zu fahren. Schon etwas schräg in Shorts und Flipflops. Auf dem Rücksitz philosophierten meine Pubertiere vor sich hin.
Mausi: „Alter, das war ja echt heftig.“
Motte: „Kannst Du wohl sagen.“
Finley: „Fiiiep.“
Mausi: „Eigentlich haben wir ja immer Unwetter, wenn wir hierherfahren.“
Motte: „Nö, eigentlich immer nur wenn Mama mitfährt.“
Finley: „Fie…hihihi…hiiiiip.“
Das war ja wieder klar. Jetzt bin ich auch noch fürs steirische Wetter verantwortlich. Das geht doch wirklich zu weit. Manchmal denke ich allerdings, dass meine Schwiegermutter da auch einen Zusammenhang zwischen mir und den steirischen Unwettern sieht. Oder wie sonst kann ich mir erklären, dass sie kaum das ich angekommen bin sorgenvoll wispert: „Es wiad an Hoagel geb’n…“
Berg und Tal Report 1 – 3
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Vom Antimobilisten zum Kilometerfresser – Berg und Tal Report 1
Einmal Pizza ohne Hund, bitte! – Berg und Tal Report 2
Hooladriiiöööö, Heidifeeling, Herrliche Ruhe – Berg und Tal Report 3
Teaser-Foto zu diesem Beitrag; Credit: Tobi Sturmjaeger via Pixaby
Liebe Birgit,
da stecken ja wirklich verborgene Therapiehund Talente in Finley 🙂
Und ja, wir Ösis können uns in solchen Momenten doch ziemlich reinsteigern, aber nach dem Unwetter kann man sich eh nur damit abfinden und versuchen die Schäden aufzuräumen, wenn geht 😉
Herzliche Grüße
Babsi
Ja, wer hätte das für möglich gehalten. 😉