Menschen gibt’s – Heute, der Fäkalienradler
Nehmen Sie die Menschen, wie sie sind, andere gibt’s nicht.
(Konrad Adenauer)
Der einfachste Mensch ist immer noch ein sehr kompliziertes Wesen
(Marie von Ebner-Eschenbach)
Sicher ich weiß, auf einem Hundeblog erwartet man eher Artikel über Hundebegegnungen. Ich will Euch heute aber mal von unserer letzten Menschenbegegnung erzählen. Es hat auch ein bisschen mit Finley zu tun, denn schließlich wurde er von diesen beiden Radfahrern beleidigt, genauso wie ich fortwährend mit Schimpfworten überzogen wurde. Uns klingeln immer noch die Ohren.
Finley und ich waren gerade auf einem unserer Wanderwege unterwegs. Ich genoss den Spaziergang trotz des Nieselregens und Finley schnupperte an den Wegrändern die Fährten seiner Kumpels ab. Etwa 15 Meter vor uns stand ein älterer Herr in Radfahrmontur und passte auf zwei abgestellte Rennräder auf.
Was ein Mensch an Gutem in die Welt hinaus gibt, geht nicht verloren
(Albert Schweitzer)
Während Finley gerade Kapitel zwei des „Dümpel Express“ las, kam die Frau des Radlers aus dem Wald zurück. Sie sah, wenngleich schon um die siebzig, auch sehr sportlich aus. In der linken Hand trug sie ihren neongrünen Fahrradhelm, in der Rechten ein Bündel kotverschmierter Tücher. Sie lächelte ihren Gatten beseelt an, holte mit der Tücherhand aus und warf die verschmierten Tücher im hohen Bogen zurück in die Büsche.
„Fertiiig“, flötete sie ihrem Gatten entgegen und dieser nickte zufrieden.
Man musste es mir wohl angesehen haben, wie angewidert ich war. Jedenfalls drehte das Eddy Merckx Double sich zu mir um und sagte: „Guck bloß nicht so doof, Du blöde Ziege!“ Wie vom Donner gerührt blieb ich stehen. So offen wurde ich bisher selten angefeindet.
„Wie bitte?“, entgegnete ich, „Sie reden ja wohl hoffentlich nicht mit mir.“ „Mit wem denn sonst“, antwortete der Pedaltreter und ging bei jedem Wort einen Schritt weiter auf mich zu, „mit deinem Scheißköter bestimmt nicht.“ Seine Frau nickte beflissen und Finley baute sich breit neben mir auf.
Weh dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt
(Christian Morgenstern)
Das alles sagte der Mann, obwohl ich anfangs nicht ein einziges Wort gesagt hatte und durchaus bereit gewesen war, wortlos an diesen zwei Fäkalienradlern vorbeizuziehen. Ähm ja, Absichten kann man auch ändern…
Inzwischen hielten zwei andere Radler bei uns an und ich bekam tatsächlich Schützenhilfe. „Was ist denn hier los, brauchen Sie Hilfe“, fragte mich der Mann auf dem blauen Rad. „Ich heiße übrigens Joachim und das ist der Frank“, sagte er dann noch und zeigte auf seinen Begleiter. Nachdem ich mich auch vorgestellt hatte, versuchte ich den beiden, die Situation zu erklären. Das allerdings gestaltete sich ein wenig schwierig, weil das Eddy Merckx Double fortwährend vor sich hin zeterte: „Die doofe Kuh (meint mich) – meine Frau macht wo sie will – Scheißköter (meint Finley) – Fot… (auch ich) – blöde Zicke (schon wieder ich) … „
Der Mensch ist vielerlei. Aber vernünftig ist er nicht.
(Oscar Wilde)
Mir wurde es zu bunt, ich drehte mich um und stellte den durchgeknallten Pseudosportler zur Rede: „Können Sie mir vielleicht mal erklären, warum Sie so wütend auf mich sind“, fragte ich den Mann. Das Eddy Merckx Double antwortete: „Sie haben ja wohl keine Pietät. Wenn meine Frau mal kacken muss, dann schaut man weg und verzieht nicht das Gesicht.“ Seine Frau stand immer noch nickend neben ihm. Ich hakte nach: „Nur damit ich das richtig verstehe. Sie schicken ihre Frau zum „Kacken“ in unseren naturgeschützten Wald, ihre Frau hält ihren nackten Allerwertesten in die freie Natur und erleichtert sich, als gäbe es kein Morgen mehr und ICH bin pietätlos?“ Das Eddy Merckx Double antwortet mit Inbrunst: „Genau!“
Das Unglück ist, dass jeder denkt, der andere ist wie er, und dabei übersieht,
dass es auch anständige Menschen gibt
(Heinrich Zille)
Ich musste tatsächlich lachen. Soviel Realitätsferne hatte ich nicht erwartet. „Nur für das nächste Mal“, sagte ich zu seiner Frau, „dort, beim Bahnhof gibt es zwei öffentliche Toiletten. Das ist doch auch für Sie viel angenehmer.“ Die Frau nickte erneut, was sie übrigens die ganze Zeit tat, egal wer gerade was auch immer gesagt hatte. Nicken schien, gleich nach in den Wald schietern, eine ihrer Kernkompetenzen zu sein.
„Na-das-ist-doch-eine-Uuuunverschääääämtheit“, blökte der Gatte aufgebracht heraus. Und weiter: „Die da (meint mich) lässt ihren dämlichen Köter überall hinscheißen, der hat bestimmt auch Läuse. Die soll man ja die Fresse halten!“ Seine Frau nickte – was sonst…
Mensch: das einzige Lebewesen, das erröten kann.
Es ist aber auch das einzige was Grund dazu hat
(Mark Twain)
„Mäßigen Sie sich mal“, forderte Frank den Mann auf, der daraufhin ein lautes Schnauben von sich gab.
Eigentlich wäre es wohl richtig gewesen, den Rüpel und seine Wackeldackeldame einfach stehen zu lassen und sie ihrer jämmerlichen Existenz zu überlassen. Ich versuchte es – wirklich. Mein inneres Oooohhmmm betete sein Lieblingsmantra: Tiiiief einatmen Birgit, dooooch, das Leben ist ein Ponyhof…“
Es half nichts, er hatte das böse L-Wort gesagt. Am liebsten hätte ich ihm, „MEIN HUND HAT KEINE LÄUSE, DU TORFNASE“, entgegengeschrien aber ich bekam das in den Griff. Langsam drehte ich mich zu ihm um und fixierte den Mann. Finley war dicht an meiner Seite und gab ein düsteres Brummen von sich.
Dann sagte ich: „Passen Sie mal gut auf, Sie Freizeitradler. Erstens hat mein Hund keine Läuse und selbst wenn er welche hätte, wäre das nichts gegen die Defekte, die Sie offensichtlich mit sich herumtragen.“ Er lief puterrot an und wollte etwas entgegnen. Ich erstickte jede Erwiderung mit einem sehr giftigen „Ich bin noch nicht fertig“ im Keim.
Dann fuhr ich fort: „Zweitens nehme ich den Kot meines Hundes mit Gassitüten auf und entsorge sie im nächsten Mülleimer.“ Zum Beweis, hielt ich ihm die Tüte, in der Finleys letzte Hinterlassenschaft, lauwarm vor sich hin dampfte unter die Nase. Dann drückte ich ihm zwei frische Tüten in die Hand und sagte: „Sie wollen den Pups ihrer Frau doch sicherlich auch noch aus der Botanik bergen, oder?“
Lebenskunst besteht zu 90 Prozent aus der Fähigkeit, mit Menschen auszukommen,
die man nicht leiden kann
(Samuel Goldwyn)
Joachim und Frank, die das ganze Geschehen beobachtet hatten, brachen in lautes Gelächter aus. Ich zwinkerte den Beiden zu.
Wir Vier taten jetzt das einzig Richtige. Wir machten kehrt und entfernten uns von dem Pöbler und seiner nickenden Frau. Gesprächsversuche hatten offenbar keinen Zweck. Wir verabredeten uns sogar, denn Joachim und Frank haben auch einen Hund, eine wunderschöne Cocker Spaniel Dame namens Lilly. Und während wir den Wanderweg entlang schlenderten, hörten wir den Fäkalienradler zetern, schimpfen, wettern und meckern. Sie tat mir fast leid, die nickende Frau an seiner Seite.
Nachtrag:
Ich bin sicher, wenn ich keinen Hund bei mir gehabt hätte, hätte mich der radelnde Greis in Ruhe gelassen. Das ist ein Phänomen, das ich immer wieder beobachte. Die Tatsache, dass ich einen Hund bei mir habe, löst bei vielen irgendetwas aus, dass sie ihre gute Erziehung und soziale Höflichkeit in den Wind schießen lässt. Mir ist noch nicht so klar was es ist, dass das Rüpelverhalten auslöst. Allerdings habe ich für mich entschieden, dass das auch nicht ausschlaggebend sein kann. Ich lasse mir das nicht mehr gefallen.
Finley hat in der oben geschilderten Sequenz übrigens ein ausgezeichnetes Sozialverhalten gezeigt.