Happy Schnapszahl, Finley
Finley hat gedoppelt, er ist elf Jahre alt geworden. Das ist bei Rüden, ähnlich wie bei Männern, das Alter in dem sie gern einmal die Augen vor der Realität verschließen. Ihrem Vorbild Udo Jürgens folgend, schreiben sie dann komische Lieder darüber, dass mit 66 das Lotterleben erst anfängt. Sie haben ihre Rolle in unseren Familien nach Kräften ausgefüllt.
Erziehung ist das ganze Leben…
Schauen wir uns doch einmal Finley an. Er hat eine gute Ausbildung bekommen. Durch gewissenhafte Teilnahme an diversen Fortbildungsseminaren, konnte er sein Können in den vergangenen Jahren ausbauen und verfestigen. Zuerst einmal strebte er den Titel des Kinderbegleithundes an. Er spezialisierte sich dort auf verschiedene Aufgabengebiete.
Expertentum mit Lametta
Er machte den Abschluss zum Leseinspektor schon im zarten Alter von zwei Jahren. Er achtete akribisch darauf, dass Motte und Mausi nur Bücher lasen, die unbedenklich waren und nachts nicht zu Alpträumen führten. Fand er ein Buch im Regal, dass seinen hohen literarischen Ansprüchen nicht gerecht wurde, dann häckselte er es in Stücke, speichelte es ein und verteilte die übriggebliebenen Stücke in alle Winde.
Finley war da sehr gründlich. Auch unsere Bücherwand wurde inspiziert und reduziert. In Ungnade fielen: Paul Bocuse das Standardkochbuch; Paul Bocuse Simply Delicious; Paul Bocuse Die regionale französische Küche und Bocuse in your Kitchen. Was soll ich sagen, die französische Küche scheint nicht nach seinem Geschmack zu sein. Mon Dieu!
Nachdem er auch bei Freunden und Verwandten eine kleine ‚Tour de Häcksel‘ durch die Literatursammlungen gemacht hatte, wurde er vom nationalen Schredderausschuss, des VDH für den Egon-Erwin-Wisch-Preis nominiert, unterlag aber mit zwei Stimmen dem Viszla Nuntzius, aus der Nebenstraße unseres Vororts.
„Das ganze Läääben isst ein … „
(Hapa Kerkeling)
Als nächstes ließ sich Finley zum Spielzeug-Suchhund ausbilden. Der Beginn der Ausbildung lief etwas holprig an, denn meine Töchter waren anfangs nicht sehr begeistert davon, einen ambitionierten Retriever beim retrieven zu unterstützen. Das war Finley aber ganz egal, er suchte zusammen, was nicht zusammengehörte. Da landeten Mottes Dinosaurier in Mausis Playmobil-Prinzessinnen-Schloss, zusammen mit der Diddl Maus, die auf mütterliche Nachfrage, angeblich niemandem gehörte. Dann gelang es ihm, Ken und Barbie, noch vor ihrer medial ausgeschlachteten Scheidung, zusammen mit einer imposanten, pinkfarbenen Plastikjacht im Garten zwischen dem Kirschlorbeer und den Hortensien zu beerdigen. Das brachte ihm den Barbie-Gedächtnis-Preis am rosa Bande ein, inklusive Besuch beim Bundespräsidenten auf Schloss Bellevue.
Soziale Verantwortung in den späteren Jahren
Nun schon etwas gereift, entschloss Finley sich, sich für kranke Menschen einzusetzen. Wir besorgten ihm einen Platz auf dem ‚Florence-Nightingale-Canisinstitute für Humanmedizin‘, wo er den Ausbildungsjahrgang für „Die psychische Betreuung, besonders betreuungsbedürftige Humaniden“ erfolgreich absolvierte. Wie der Zufall es wollte, brach sich meine Mutter kurz nach seinem Abschluss die Hüfte und SchwesterPfleger Finley begleitete meine Mutter wie ein Schatten. Wo immer sie auch hinging, da war auch er. Die Investition in seine Ausbildung schien sich gelohnt zu haben.
Eigeninterpretationen inbegriffen
Später, im Außeneinsatz, bekam ich dann doch Zweifel. Während eines Spazierganges entdeckte Finley am Ende einer großen Rasenfläche, die Herz-Kreislauf-Gruppe des örtlichen Sportvereins. Auf diesem Gelände trainierten wir damals öfter, die Herrschaften machten ihre Dehnungsübungen also auf SEINER Freilauffläche. Links neben der Gruppe standen, an einen Baum gelehnt, gefühlte 100 Nordicwalking-Stöcke *seufz. Mein kleiner SchwesternPfleger preschte ungebremst in die Gymnastikgruppe und brachte dabei zwei rüstige Rentner zu Fall. Danach apportierte er nahtlos den zweiten Nordicwalking-Stick. Was soll man da machen? Positiv bestärken? Die Rentnertruppe nahm es mit Humor und schickte meinen Hund, laut gackernd, auf Stock Nr. 3.
Inzwischen hatte es der Übungsleiter der Herztruppe bis zu mir geschafft. „Junge Frau“, sagt er *hi,hi,hi…dankedafür. Also „Junge Frau wir wollen hier in Ruhe unsere Mittagspause verbringen – IST DAS WOHL MÖGLICH?“ Finley fegte gerade mit Stock Nr. 4 heran und haute dem Übungsleiter das Stockende in die Kniekehlen.
Tja schau’n wir mal dachte ich: Kann man auf der Landebahn des Hamburger Flughafens frühstücken, auf der A1 Rollschuhfahren, unter Wasser steppen…? Laut sage ich: „Junger Mann“ *hi,hi,hi…Retourkutsche. Also: „Junger Mann, das hier, ist ein geprüfter SchwesternPflege-Retriever und er ist gerade im Einsatz. Offensichtlich wittert er Handlungsbedarf.“
Rentner-Gejohle im Hintergrund: „Ach Herbert, bleib mal locker!“; „Genau, Du Spaßverderber… der ist doch so süss.“; „Hundiiii wir haben noch mehr Stockiiiis!“ Finley raste bei dem Wort „Hundi“ sofort los. Zeitgleich stapfte der Übungsleiter resignierend zu seiner Gruppe zurück. Finley lag inzwischen völlig erschöpft neben dem Stöckchen-Haufen. Ich sammelte seine Beute zusammen und bedankte mich bei der Herz-Kreislauf-Truppe für ihre Toleranz und das 1A Apportiertraining mit meinem Hund.
Schöne Aussichten, Du und ich gegen den Rest der Welt *HerzchenHerzchen
Finley scheint jetzt, mit der Doppeleins im Kreuz, im zweiten Frühling zu sein. Jede Minute seines Tages scheint er sich zu fragen, wie er die verbleibende Zeit in vollen Zügen auskosten könnte. Also was machen, ältere Herren, die aufgrund abklingender Sehkraft glauben, sie seien noch so knackig, wie der muskelbepackte Jungrüde von nebenan? Richtig, sie schießen manchmal übers Ziel hinaus.
Nichts scheint so wichtig, wie jung und dynamisch zu erscheinen. Da kann es schon mal vorkommen, dass es abends ein wenig im Knie knirscht oder im Kreuz knackst. Aber das wird dann ganz charmant überspielt. Ein wenig schmusiger ist er geworden, mein Bärchen. Ich genieße das in vollen Zügen. Da liegt er nun auf seinem ersten orthopädischen Kissen und träumt. Seine Pfötchen machen Laufbewegungen im Schlaf – oder buddelt er etwa … er schnarcht und grunzt zufrieden vor sich hin. Na da muss ich wohl mal den Garten inspizieren … *nichtaufregenBirgitnichtaufregen