Einmal Pizza ohne Hund, bitte! – Berg und Tal Report 2
Da Silvano, eine der besten Pizzerien der Steiermark
Wie wir den Finley zum Beifahrer gemacht haben, habe ich Euch ja schon im ersten Teil meines Reiseberichtes geschildert (lest mal hier). Jetzt waren wir also unterwegs, es lagen 1200 Kilometer in brütender Hitze vor uns und im Heck hechelte mein Murmeltier.
Es freut mich sehr, dass ich berichten kann, dass unsere Fahrt vom hohen Norden in die südlichen Gefilde ohne störende Vorkommnisse verlief. Wir haben häufiger Pausen eingelegt und sind dafür auch öfter einmal von der Autobahn heruntergefahren. Finley konnte sich im Grünen die Pfoten vertreten, frisches Wasser trinken, und das Wichtigste – er war immer bei uns. Ob schnelle freie Strecken, Brotpausen oder das bisserl Staufahren um München herum, er machte das alles grandios mit. Guter Junge.
Ein wenig Abkühlung kann nicht schaden
Um 4.00 Uhr morgens waren wir in Hamburg losgefahren. Gegen 19.30 Uhr kamen wir in unserem Quartier in St. Lorenzen an. Nach 16 Stunden auf der Autobahn bei tropischen Temperaturen, hatten wir den Jim-Block-Idealzustand erreicht – „well done“. In der Steiermark hingegen wurden wir von einem Regenschauer empfangen. Das war nicht schlimm, denn ein bisschen Abkühlung konnte bei diesen Temperaturen wirklich nicht schaden. Hundemüde aber glücklich, endlich wieder einmal die Beine durchstrecken zu können, stellten wir unsere Reisetaschen in die Zimmer unseres schönen Ferienhauses und machten uns ein wenig frisch.
Finley dreht seine erste Runde
Währenddessen unternahm Finley seinen ersten Erkundungsgang. Wir ließen ihn laufen, denn das Häuschen war idyllisch gelegen, weitab von stark befahrenen Straßen. Ich entspannte unter der Dusche, hörte wie Finley bellte und gleich darauf das martialische Fauchen einer Katze. Hach ja, offensichtlich hatte Finley einen kleinen Freund gefunden … Ich weiß, ich hätte jetzt von Besorgnis getrieben, halbnackt vors Haus stürzen müssen aber hey, ich dachte… das können die auch mal unter sich ausmachen …. Die steierische Realität gab mir Recht, mein Bärchen kam zufrieden von seinem Wiesen-Ausflug zurück. Sein Blick sagte: „Hab nur mal kurz klargemacht, wer hier jetzt der neue Wiesenchef ist, für die nächsten sechs Tage.“ Hey Frauchen, echt alles schön hier….
Wir freuen uns auf unsere Familie
Mein Mann ist gebürtiger Steirer. Und im Herzen, wo wir Hamburger die berühmte Raute tragen, wächst bei ihm ein Edelweiß. Deshalb bedeutet für uns Österreichurlaub auch immer ein Wiedersehen mit der Familie. Der Sommerurlaub ist unsere Möglichkeit einmal im Jahr die Eltern, Schwiegereltern, Geschwister, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen zu treffen. Und weil wir es gar nicht abwarten konnten, war das erste Treffen schon am Abend geplant. Die Pizzeria „Da Silvano“, oben auf’m Berg war unser Ziel. „Da Silvano“ hatten meine Töchter im letzten Urlaub entdeckt und uns glaubhaft bestätigt, dass die Pizza dort „endgeil“ schmecken würde und die Auswahl schier grenzenlos sei.
Unser Cousin hatte schon im Vorfeld unseres Urlaubs dort für den Ankunftstag einen Tisch bestellt. Er sollte vorher abklären, ob wir Finley mit in das Lokal nehmen konnten. „Joaa, siiicher“ hieß es. Dass das nur für die Terrasse gilt, hat uns leider niemand gesagt. Was soll ich sagen, die Steiermark hat uns mit einem fetten Gewitter empfangen. Die Terrasse war also nicht nutzbar. „Duat mia leid“,sagte der Kellner, den ich nachfolgend liebevoll „derHorst“ nennen werde, „oaber in den Gastraum koa er net“. Hunde nicht erwünscht. Ups! Den kleinen Shiba Inu an Tisch Sechs hatten sie wohl übersehen. Oder er ging da zulande als Katze durch. Shiba müsste man sein …
Gastfreundschaft wird in der Steiermark gross geschrieben
Mei, so eine Aufregung. Die Tante explodierte fast vor Empörung. Nun muss man wissen, dass in der Steiermark Herzlichkeit und Gastfreundschaft sehr großgeschrieben werden. Eigentlich wird immer alles möglich gemacht, dem Gast soll es gut gehen. So kennen wir das – eigentlich. Aber es gibt halt überall diesen einen „derHorst“, der das nicht weiß, nicht will oder … was auch immer…
In diesem Moment vor der Gastwirtschaft waren wir zuerst alle ein wenig ratlos. Stimmungsmäßig befand ich mich längst im gehobenen Quieks-Kicher-Modus. Mein inneres Ooohhmmm hatte seinen Klappliegestuhl aufgestellt und hatte es sich darin bequem gemacht. In der einen Hand hielt es ein Räucherstäbchen, mit der anderen Hand fächerte es mir die beruhigenden Rauchschwaden lächelnd ins Gemüt. Ich entschied mich für Schadensbegrenzung. Das Familientreffen sollte wie geplant stattfinden und wir hatten alle einen Bärenhunger. Die Familie sollte in den Gastraum gehen und ich würde mir mein Essen ans Auto bringen lassen und bei Finley bleiben. Finley konnte sich so an der Schleppleine schon’n büschen die Beine vertreten, 16 Stunden Kofferraum waren echt lang genug. Ich bestellte eine Pizza Suli und ein grosses Spezi. Dann schaute mich zum ersten Mal ganz in Ruhe um und dachte: Aber hey, sonst ist alles toll hier.
„derHorst“ – ein gut ausgebildeter Vollzeitkellner
Etwa 20 Minuten wurde angerichtet. „derHorst“ brachte mir meine Pizza und mein Spezi. Die Pizza in einem durchgesuppten Karton, mit eingeschmierter Serviette und einem stumpfen Messer. Wie liebevoll drapiert, dachte ich bei mir, ich könnte glatt noch die nächsten vier Wochen jeden Tag hier essen gehen. Lernt man sowas auf der Hotelfachschule? Da das ganze ja in meinem Auto stattfand beschlich mich trotzdem ein schemenhaftes Gefühl von Heimat. Mal ehrlich Leute, das hätte man besser machen können. Die ganze Panne hätte man mit ein bisschen Phantasie doch noch retten können. Mindestens hätte ich die Pizza auf einem kleinen Hocker, auf richtigem Geschirr, nett mit Stoffserviette und ein paar netten Worten serviert.
Zugegeben, die Pizza sah echt lecker aus. Dicht belegt mit Anchovis, Thunfisch und mindestens 12 ganzen schwarzen Oliven. Der geschmolzene Käse hatte genau die richtige, schlunzige Konsistenz, so wie ich es liebe. Wie sich später herausstellen sollte, waren die Oliven nicht entkernt – aber hey, sonst war alles toll hier. Ausnahme das mitgelieferte Messer. Dieses doofe Messer schnitt leider nicht durch die Pizza und wenn ich stärker drückte, ging der aufgeweichte Karton kaputt. Und ölige Tomatensoße auf den Autopolstern wollte nun nicht auch noch.
Lass ich mir patentieren – Pizza Origami
Die Not macht ja bekanntlich erfinderisch. An diesem Abend erfand ich die Pizza-Origami. Ich faltete den Teiglappen fünf Mal ineinander und hatte am Ende so etwas wie einen überdimensionalen Döner – nur auf italienisch. Außerdem war ich wild entschlossen, jede Sekunde meines Urlaubs in der steirischen Wildnis zu genießen. Also stellte ich mich nah an den Abgrund. Ja, wir Norddeutschen bezeichnen jede Steigung unter 13% auch als Abgrund, isso. Nur mit Mühe konnte ich den Jodler unterdrücken, der gerade versuchte sich Bahn zu brechen. Dann biss ich mit Wonne in meine Pizza Origami und … auf einen Olivenkern. Egal, sonst ist echt alles schön hier.
Humor ist wenn man ….
Da stand ich nun, höher als meinem Gleichgewichtssinn je guttun würde und spuckte Olivenkerne auf steirische Abgründe. Ich verteilte sie gleichmäßig nach rechts und links und meine Gedanken schweiften ab oder sollte ich besser sagen, sie entglitten mir? Vor meinem geistigen Auge entstand das Bild eines satten, blühenden und eine gute Ernte ergebenen Olivenhains, den die Steiermark nur mir zu verdanken hätte. Sie würden ihn dereinst unter Begleitung der schmissigen Musik der örtlichen Blaskapelle auf den Namen „Birgits random Olivenhain“ taufen. Meine Familie bekäme Pizza Origami frei auf Lebenszeit und … Finley saß längst ruhig und andächtig neben mir. So als ob auch er unseren Olivenhain sehen könnte und sich gerade überlegte, in welcher Reihenfolge er die Bäumchen markieren würde.
Die Cheeeefin woa net amused
Zurück in der Realität, hatte ich aufgegessen und stand nun vor einem Berg Müll und gebrauchtem Geschirr, den es loszuwerden galt. Ich machte mich also auf den Schankraum und traf auf die Chefin des „Da Silvano“. Ich drückte der verdutzten Frau den Karton, Besteck und das Colaglas in die Hand und bat sie, alles für mich zu entsorgen. Sie war etwas aufgebracht, als sie erfuhr, dass einer ihrer reservierenden Gäste am Auto gegessen hatte und bei der kommenden Mitarbeiterbesprechung wollte ich sicher nicht der „derHorst“ sein.
Die Chefin ließ es sich nicht nehmen mich zu einer Portion hausgemachter Tiramisu und einem Cappuccino einzuladen. Ich nahm dankend an, Finley durfte sich neben mich legen und so nahm der Abend dann doch noch einen versöhnlichen Ausklang. Also wenn man dann auf das große Ganze schaut, dann ist doch wirklich alles total schön hier…