Frau Saubermann aus der Kackmacherstraße
Die Hinterlassenschaften unserer Hunde. Wie heißt es so schön auf Neudeutsch? Dieses Thema polarisiert. Und zwar erstaunlicherweise viel stärker bei Menschen, die keinen Hund haben.
Wir Hundehalter werfen einen eher besorgten Blick auf die Häufchen. Was folgt ist eine dezidierte Analyse der Konsistenz, mit anschließenden Schlussfolgerungen zur Gesundheit unseres Lieblings. Bei Menschen ohne Hund, ist die Interessenlage eine total andere. Kurz zusammengefasst: Ürgs, soll weg – sofort! Grundsätzlich gebe ich diesen Menschen ja recht. Als Hundehalter sollte man für Sauberkeit sorgen. Trotzdem finde ich, dass das Benehmen der privaten Häufchen-Polizei auch mal eine Überprüfung wert ist.
Aktueller Anlass für diesen Artikel sind zwei Aushänge, in meiner Straße, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Der erste Anwohner ist sichtlich um Höflichkeit bemüht: „Verehrte Hundehalterinnen und verehrte Hundehalter! Sie möchten sicher auch keine Hundehaufen vor Ihrer Gartentür bzw. in Ihrem Garten. Leiten und leinen Sie bitte ihren Hund so an, dass auch wir uns wohlfühlen. Danke!“
Also ich finde damit kann man als Hundehalter doch gut leben. Der Ton ist freundlich, das Anliegen berechtigt und das Schreiben nicht mit unnötigen Beschuldigungen überfrachtet. Ungefähr zehn Haustüren weiter, in der Kurve, trägt es den anderen Schreiber verbal geradezu aus Derselben:
„An das Schwein, das seinen Hund auf den Gehweg kacken läst. Wälz dich doch noch dadrinnen. Du sch…. zuhause bestimt auch auf den boden. Kannste da auch machen aber nich hier wo anständige leute wohnen.“ (Anm. d. Red. Grammatik- und Rechtschreibfehler wurden nicht korrigiert, damit die Authentizität dieser Perle nachbarschaftlicher Kommunikation nicht verloren geht. Ohne Foto, weil … ich liebe meine Kniescheiben.)
Wen wundert’s, damit kann ich nicht so gut leben. Erstens möchte ich von „anständige leute“ nicht geduzt werden. Zweitens möchte ich nicht beleidigt werden, egal von wem. Und drittens habe ich sehr viel Mitgefühl mit der Tagesmutter, die direkt neben „anständige leute“ wohnt. Sie hatte nämlich alle Mühe den Eltern ihrer Schützlinge glaubhaft zu machen, dass wir eine anständige Straße, mit anständigem Umgangston sind – einzige Ausnahme eben „anständige leute“.
Aber so ist das wohl, wenn man einen Hund hat. Für einige, wahrnehmungsgestörte Menschen bedeutet das, dass sie keine Rücksichten mehr nehmen müssen. Der Ton wird harscher, der Umgang rauher. Auch außerhalb meiner Straße weht ein schärferer Wind und zwar auch, wenn man wie ich, Gassi-Tüten dabeihat und die Hinterlassenschaften seines Hundes wegräumt. Man wird angemacht. Gewissermaßen stellvertretend für diejenigen, die alles liegenlassen und dabei nicht erwischt wurden.
Je nach meiner eigenen Stimmungslage gebe ich den Meckerern unterschiedliche Namen. Die „Köttel-Pöbler“ sehen einen Hund und poltern schon los, quer über die Straße oder aus den geöffneten Fenstern ihrer Häuser. Ich habe mir angewöhnt, ihnen freundlich lächelnd zuzuwinken. Das macht sie wahnsinnig. *gluckskicher
Die „Gassi-Tütenschwinger“ haben selber keinen Hund aber immer Gassi-Tüten bei sich. Diese verteilen sie dann so offensiv unter den entgegenkommenden Hundehaltern, wie die Zeugen Jehova ihren „Wachturm“. Menschen, die diese missionarisch- aggressive Energie ausstrahlen, sind mir suspekt. Ich mache das Peace-Zeichen, sage sowas wie „der Untergang ist nah’“, und sehe zu, dass ich Land gewinne.
Und dann gibt es da meine Favoritin. Ich nenne sie Frau Saubermann aus der Kackmacherstraße. Den Namen hat sie exklusiv. Frau Saubermann wohnt in einer idyllischen Straße, nah’ am Waldrand. Sie ist ein überaus korrekter Mensch, immer adrett zurechtgemacht. Selbst bei der Gartenarbeit, ist sie wie aus dem Ei gepellt. So, als habe sie sich für ein Fotoshooting für das Magazin „Mein schöner Garten“ zurechtgemacht. Frau Saubermann führt in ihrer Straße ein hartes Regiment. Sie herrscht über etwa 55 gediegene Einzelhäuser und deren Insassen. Ähm … ich meine natürlich Bewohner. Und wie hinter jeder herrischen Frau, steht auch hinter Frau Saubermann, ein echt sympathischer Mann, der sich kaum traut einen Mucks zu machen.
Frau Saubermann hat viel zutun. Sie kontrolliert, wer wann seine Mülltonnen an die Straße stellt und wann wer sie nach dem Ausleeren wieder aufs Grundstück zurückholt. Sie organisiert jeden Herbst die von ihr ins Leben gerufene Laub-Hark-Initiative „Unser Knick – blattfrei und sauber“. Die Teilnahme ist Pflicht, Nachbarn die sich sperren, stehen ab sofort unter Beobachtung.
Und sie führt eben diese berüchtigte Delinquenten-Liste der nicht therapierbaren Hundehalter. Das sind in erster Linie diejenigen, die die Hinterlassenschaften ihrer Hunde liegen lassen. Dazu gehöre ich zwar nicht. Dennoch habe ich es auf ihrer To-Kill-Liste ganz nach oben geschafft, gewissermaßen als Sonderfall. Einmal, in einer schwachen Minute, hat sie mich in ihr abgegriffenes Din-A5-Universum schauen lassen. Dort stand in krakeliger Schrift: „Große, dunkelhaarige Frau, hässliche grüne Jacke, aufmüpfig, unsympathisch, netter Hund.“ Öhm ja, kommt irgendwie hin.
Frau Saubermann und ich kennen uns ja nun schon Finleys ganzes Leben lang. Wir hatten in den vergangenen acht Jahren also viel Zeit, eine Menge Nettigkeiten auszutauschen. Meine anfänglichen Versuche, mich auf einer sachlichen Ebene mit ihr auszutauschen, sind wirkungslos verpufft. Ich musste einsehen, dass diese Frau einfach nicht anders kann. Mein Motto: bloß nicht ärgern, Birgit. Ich ärgere lieber Sie und nehme die Sache mit Humor. Und ganz nebenbei scheint Frau Saubermanns Gatte auch ein bisschen Spaß daran zu haben. Als ich den Anpöbler seiner Frau, „Da liegt ein Haufen!“, mit einem beiläufigen „Glückwunsch, gut gesehen“, beantwortete, riss er zuerst erschrocken die Augen auf. Dann wich der entsetzte Ausdruck auf seinem Gesicht einem breiten, zufriedenen Grinsen. Mittlerweile habe ich mein Repertoire ein wenig aufgefrischt um: „Na sowas“, „Macht doch nichts“, „Ojeojeojeee“…… Herrn Saubermann freut’s.
Zum Abschluß erzähle ich Euch noch von meinem Lieblingszusammenstoß mit Frau Saubermann. Ich ging mit Finley durch die Kackmacherstraße, wir waren schon fast am Ende angelangt. Da legte Frau Saubermann mit ihrem Golf, alle Verkehrsregeln missachtend, eine gekonnte Vollbremsung neben uns hin. Sie kurbelte das Fahrerfenster herunter und polterte los: „Woll’n Sie Nicht mal ‚ nen Haufen wegmachen?“ Ich drehte mich freundlich um und fragte: „Wieso? Wollten Sie denn einen machen?“
Das war das einzige Mal, dass ich diese Frau sprachlos erlebt habe. Vielleicht auch deshalb, weil ihr Gatte auf dem Beifahrersitz mir „die Daumen hoch“ zeigte, während er schallend lachte. Na, der traut sich was, dachte ich, und habe mich zufrieden auf den Heimweg gemacht.