„Hilfe Mama, Finley will Jesus fressen!“
Bei uns in der Familie ging es an Weihnachten immer sehr besinnlich zu. Mein Mann und ich kauften zusammen einen deckenhohen Nadelbaum, den ich in der Nacht zum Heiligabend schmückte.
Für meine Mädchen war es die größte Freude, unsere große Fensterbank zu dekorieren. Sie sammelten knorrige Äste, trockneten sie und arrangierten sie auf der Ablage. Dann stellten sie kleine Windlichter dazwischen und bauten unsere hölzernen Krippenfiguren auf. Der Stall zu Bethlehem in meinem Vorstadtfenster, in sanftem Kerzenlicht – hach, wie schön.
Fromme Wünsche …
Traditionen sind etwas Wundervolles, Weihnachten 2009 war für uns alle aber deshalb etwas ganz Besonderes, weil wir Zuwachs bekommen hatten. Einen fluffigen Golden-Retriever-Rüden namens Finley. Nennen Sie es ruhig naiv, aber damals glaubten wir wirklich, dieser kleine, niedliche Hund würde dankbar und gehorsam zu unseren Füßen liegend, die Weihnachtstage mit uns genießen wollen.
Kaspar, Finley, Baltasar … die Besetzung hat gewechselt
Glauben Sie mir, wenn der Beginn der Pubertät ihres Hundes auf den 24. Dezember fällt, ändert das die Abläufe komplett. Jedenfalls deckte sich der Aufschrei meiner damals achtjährigen Tochter, „Mamaaa, Finley will Jesus fressen…“, nicht mit meiner Vorstellung von Besinnlichkeit zu verbinden. Unser Rowdy hatte sich das Jesuskind aus der Krippe gemopst, und war nun auf dem Weg, sich seine Beute zu sichern. Es hat uns einige Mühe und eine Bodenvase gekostet, den Knaben in seine Krippe zurückzubringen.
Nachdem Finley auch noch einen der drei heiligen Könige in sein Körbchen entführt und angeknabbert hatte, blieb uns nichts anderes übrig, als unsere Krippe – etwas höher gelegen – im Bücherregal aufzubauen. Auf Kerzen mussten wir verzichten, dafür war sicher, dass die Jesusfamilie das Weihnachtsfest unbeschadet überstehen würde.
Kommunikationsprobleme mit dem Weihnachtsmann
Als ob das nun nicht genug Ärger gewesen wäre, entwickelte Finley eine Aversion gegen unseren Christbaumständer. Der sah nämlich aus, wie ein liegender, vor sich hindösender Weihnachtsmann. Er hatte diesen dicken Mann in seiner roten Kutte schon mehrfach zum Spielen aufgefordert, und der hatte nicht einmal die Höflichkeit besessen, ihm zu antworten. Da stand mein Lütter nun, die Widerristhöhe knapp 10 Zentimeter über Dackelhöhe, 25 vor Empörung bebende Kilogramm, und gab ein tiefes Grollen von sich. Doch der Weihnachtsmann sagte – nichts.
Auweia, das gibt keine Sympathiepunkte
Finleys Empörung wollte sich entladen, im wahrsten Sinne des Wortes. Also drehte er dem Weihnachtsmann seine Rückseite zu, und hob zum ersten Mal in seinem Leben das Beinchen und pinkelte los. Die nächsten 10 Minuten widmete ich mich der Beseitigung seiner Überschwemmung, denn unsere Gäste sollten den Esstisch ja ohne Gummistiefel erreichen können.
Am späten Abend bauten wir dann mit Sesseln und Stühlen eine Art Wagenburg um unseren Weihnachtsbaum. Ein lederner Schutzwall, der den Weihnachtsmann vor weiteren Sprühattacken meines Jungen bewahren sollte. Ein bisschen mulmig war mir schon zumute, als wir ins Bett gingen, und ich fragte mich im Stillen, was der Kleine sich wohl noch einfallen lassen würde. Ich glaube, den ruhigsten Schlaf hatte in dieser Nacht wohl das hölzerne Christkind in seiner Krippe.
Dieser Text ist zum ersten Mal in der HundeWelt Ausgabe 12/19 erschienen.
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