Enrico C. die Abrissbirne – Chronik einer tiefen Feindschaft Vol. 1
Enrico C. hat Allüren wie ein Startenor
Finleys Lieblingsfeind Nr.1 wohnt (wie praktisch) bei uns in der Straße. Er hört auf den klangvollen Namen eines längst verstorbenen, italienischen Startenors. Aus datenschutztechnischen Gründen nennen wir ihn mal Enrico C..
Enrico C. ist ein großer Schweizer Sennenhund, mit strammen 70 Zentimetern Schulterhöhe und gefühlten 60 Kilogramm purer Muskelmasse. Sein Schädel hat das Ausmaß einer mittelgroßen Abrissbirne.
Schon als die Zwei sich zum Ersten mal sahen war es Feindschaft auf den ersten Blick. Leidenschaftlich und kompromisslos. Begegnungen zwischen ihnen laufen immer nach einem bestimmten Schema ab.
Enrico C.’s Frauchen – Ihre Rufe verhallen unbeachtet
Enrico C., wie immer unangeleint, geht drohend in gebückter Haltung auf Finley zu. Finley baut sich kastig auf und knurrt „Komm her Du Sack“. Enrico C.’s Frauchen haucht ein zartes „Ehenricohoooo“, durch den Wald, über die Straße oder in den Mantelkragen.
Enrico C. denkt, „drauf gepfiffen“ und geht weiterhin drohend in gebückter Haltung auf Finley zu.
Ich schreite ein. Finley kriegt den Befehl „Geh weiter!“, er trottet widerwillig los (puhhh…). Ich stelle mich Enrico C. in den Weg (schluck… schwitz…) und sage sehr bestimmt „NEIN, DU BLEIBST“. Enrico C. trottet nun in gebückter Haltung drohend auf mich zu. Dabei zeigt er mir seine tadellos gepflegten Reißzähne.
Enrico C.’s Frauchen schmeißt sich auf ihren 60-Kilo-Brocken, tüdelt irgendwie die Leine um seinen baumstammdicken Hals und zieht mit den Worten „Der wollte doch nur guten Tag sagen, das ist so seine Art“, von dannen. Na klar!
Streitkultur kennen die zwei nicht
Ich atme tief durch. Finley guckt etwas enttäuscht. Am liebsten hätte er seinem Straßennachbarn mal nach Strich und Faden die Hucke versohlt. Und wenn ich ehrlich bin – ich hätte Enrico C. auch gerne mal das Hohe C trällern lassen. Aber ein Blick auf seine Abrissbirne und seine Schaufelbagger ähnlichen Kiefer, ersticken solche Impulse im Ansatz.
Besser wird es nicht werden. Denn das Frauchen von Enrico C. kommuniziert klar, dass sie ihre Art von Laisser-Faire-Hundeerziehung nicht ändern will: „Das ist schon unser fünfter Rüde, wir sind so immer gut gefahren.“ Über diese fünf Rüden kursieren übrigens heute noch legendäre Geschichten in den Walddörfern.
Also werden Finley und ich weiterhin neue Überlebensstrategien ausarbeiten. Und in der Ferne erklingt gespenstisch Enrico C.’s Siegesgeheul.
Fortsetzung folgt….
Liebe Birgit,
Ich habe deinen Artikel mit viel Interesse gelesen. Zeigt er doch, obwohl mit einem Schmunzeln geschrieben, wie ein nicht, oder aber schlecht funktionierendes Mensch-Hund-Team nicht nur seine Umwelt, sondern vielmehr sich selbst belasten kann. Bei der Lektüre deines Artikels wurden mir die Erfahrungen, die ich derzeit mit meinem eigenen Hund machen darf, bewusst, so dass ich dir davon berichten möchte.
Wie du weißt, ist meine Prinzessin eine fünfjährige Labradorhündin, die als solche genauso ein Nordseefan ist, wie ich. Insofern zieht es uns beide immer wieder mit unserer Knutschkugel (Wohnwagen) nach St. Peter Ording. Traumhafter Strand, herrliche Salzwiesen, Wald etc. ÜBERALL LEINENZWANG. Ein trostloser Spaziergang für einen lebhaften Hund.
Mein Hund läuft fast überall ohne Leine, egal ob zu Fuß, oder neben dem Fahrrad und ich weiß, dass es gegen geltende Vorschriften ist. Aber wir beide verhalten uns sehr defensiv. Begegnet uns beispielsweise eine Familie mit kleinen Kindern!, lass ich meine Hündin neben mir sitzen und die Familie passieren. Gleiches gilt für schnellere Radfahrer (ich passe mein Tempo selbstverständlich dem meiner Prinzessin an), Jogger und insbesondere Leuten mit anderen Hunden. Ich habe das Glück, dass mein Hund auch dann völlig entspannt neben mir (UNABGELEINT) sitzen bleibt, wenn ein heftig an der Leine zerrender Hund an ihr vorbeigezogen wird.
Diese Rücksicht auf unsere Umwelt (nicht alle finden große schwarze Hunde toll), bewirkt offenbar, dass wir beide fast ausnahmslos positiv wahrgenommen werden. Kommentare wie: ach wie brav, was für ein lieber Hund etc. höre ich oft. Noch nie hat mir jemand vorgeworfen, dass mein Hund nicht angeleint ist!!!
Gute Erziehung und somit ein harmonisches Mensch-Hund-Team bedeutet nicht nur entspanntes Miteinander, sondern insbesondere auch Freiheit für den Hund!!!
Liebe Birgit in diesem Sinne
Herzliche Grüße von
Dubslav & Andrea
Dein Blog finde ich super! Weiter so. Kommentar von Balou: großer Bruder du schaffst sie alle ( wenn dein Frauchen dich nur lassen würde.). Vlg Renate
„Da ist Frauchen ein echter Spielverderber. Wenn die so weitermacht, komme ich ganz aus der Übung“, sagt Finley. Und: „Bis bald mal mein kleiner Bruder. Ich vermisse Dich.“
Liebe Birgit,
also ich finde die Idee mit dem Newsletter toll. Und über deinen Artikel habe ich gerade so lachen müssen. Diese oder ähnliche skurrile Situationen hat wohl schon fast jeder Hundehalter schon erlebt und du schreibst wirklich gut.
Viele liebe Grüße
Susanne
Danke Susanne, das Lob freut mich besonders, da es ja von einer Kollegin und Mitbloggerin kommt. Ich stöbere bald wieder auf Deiner Seite http://www.my-lucky-dog.de .
Mir tut – wenn ich das jetzt mal so sagen darf, Enrico verdammt leid.
Ich liiiiiiiiiiiebe Schweizer Sennenhunde und Berner Sennenhunde – beide Rassen habe ich bisher zwar als wachsam, aber auch als gutmütige und entspannte Hunde kennengelernt.
Der gute Enrico, der wahrscheinlich tief in sich drin eine Seele von Hund wäre, wenn er nicht falsch behandelt, falsch erzogen und vor allem falsch sozialisiert worden wäre und noch wird, weiß es wohl leider nicht besser und versaut sich so den großen Spaß, andere Hunde kennen zu lernen, mit ihnen zu toben, Neuigkeiten auszutauschen (manchmal habe ich zumindest das Gefühl, Hunde tun sowas), und sich einfach mit ihnen zu befreunden. Traurig, traurig!
Du hast mit vielem Recht Sabrina. Ich mag die Schweizer auch. Enrico C. wurde nicht richtig sozialisiert und auch nicht erzogen – Grenzensetzung kennt er nicht. Deshalb trifft er jetzt eigene Entscheidungen – egal was Chef oder Chefin sagen. Aus seiner Sicht tut er das Richtige.
Aber zu Deiner Beruhigung – er hat Hundefreunde. Bei der örtlichen Mädelsfraktion hat er einen ordentlichen Stein im Brett. Einsam ist er also nicht.
Wie das mit zwei Platzhirschen in demselben Arrondissement so klappt, kannst Du in einem der nächsten Beiträge lesen.
Da wir auch ein Exemplar Großer Schweizer haben, hier mal kurz mein Kommentar zu der Sache – sie lieben die einen und die anderen nicht. Das muss nicht immer damit zu tun haben, dass sie schlecht erzogen sind. Auch Große Schweizer, und die vielleicht ganz besonders, haben ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Sympathien. Nicht alle Hunde sind eben harmlose Lämmchen. Somit wären wir bei der zweiten Kategorie Hundehalter, die „ich muss meinen Hund nicht anleinen, alle anderen sind ja die Bösen“. Sorry, gehen mir total auf den Keks. Ich habe ein Exemplar DK „Komm mal näher und ich guck, ob ich Dich fresse“. Und sorry, SEHR OFT laufen die nicht angeleinten, abgelegten (meistens sehr hundesozialfreundlich MITTEN AUF DEM WEG mit dem stocksteifen, hundeschulgetrimmten, sich selbst bewundernden Frauchen nebendran) nach Passieren eben doch meiner Hündin nach, um mal eben schnell unterm Schwanz zu schnuppern, was meine grade noch rasender macht. Ganz toll für MEINE Hundeerziehung! Ich verstehe nicht, warum es solche Mühe macht, den Hund einfach kurz anzuleinen und damit dem anderen Hundehalter zu signalisieren: Ich seh das Problem, meiner ist gesichert. Nein, da muss geposed werden. Tut mir leid, mit meiner English Setter Hündin könnte ich das auch. Hab ich aber nicht nötig, auch die wird in solchen Fällen angeleint. Kostet mich überhaupt keine Mühe. Das fällt für mich einfach unter Höflichkeit und ich leine meine Hündin, die völlig gelassen gegenüber Radlern oder Joggern ist, in solchen Situationen ebenfalls an, weil ich einfach weiß, dass andere Leute nicht wissen können, was meinem Hund grade so einfällt und diese Leute auch nicht ungefragt meine Versuchskaninchen sind.
Ja, das finde ich treffend beschrieben. Man fühlt sich wie ein Versuchskaninchen in einem Versuch mit umkalkulierbaren Risiken.
Servus,
toller Artikel und hoffentlich kommt bald die Fortsetzung – bin gespannt.
Liebe Grüße Claudia
Vielen Dank, Claudia. Ja, die Fortsetzung ist in Arbeit 😉 Demnächst in diesem Kino … ähm,auf diesem Blog. 😀