Tragödienstadl – kein Gefühl für Pietät
Und jetzt denkt Ihr vielleicht, sie geht wieder los, die leidige „Kampfhund-Diskussion“?
Nein, keine Angst, dass es die Rasse „Kampfhund“ nicht gibt und dieser Name außer einem fetten, ungerechten Stigma nichts an Erkenntnissen über die betroffenen Hunderassen liefert, ist bereits hinlänglich bekannt und soll nicht Thema dieses Artikels sein. Außerdem hat die Diskussion um die korrekte Bezeichnung der Hunde, an dieser Stelle überhaupt nichts zu suchen. Um das Rassen-Stigma nicht weiter zu befeuern, nenne ich die zwei Hunde, die getötet haben in diesem Artikel weder beim Namen, noch nenne ich die Rasse. Denn auch das spielt hier keine Rolle. Ich nenne die beiden Tiere hier neutral einfach nur den Hund.
Mich beschäftigen zurzeit die Diskussionen in den sozialen Medien, die unter den Beiträgen, die über die zwei tödlichen Beißvorfälle berichten, gepostet werden viel mehr. Es sind Menschen gestorben unter grausamen Umständen und einer der Toten war ein sieben Monate alter Säugling. Für mich wäre das Grund genug einmal innezuhalten und an diejenigen zu denken, die einen geliebten Menschen verloren haben. Ich habe Mitgefühl mit Ihnen. Ich fühle auch Mitleid mit den Getöteten, denn sie sind auf brutale Art gestorben.
Die Situation, die entstanden ist, ist tragisch – auch für die Hunde. Und ich finde grundsätzlich auch, dass eine Diskussion erlaubt sein muss. ABER…
Auch wenn man davon ausgeht, dass der Hund aus den falschen Motiven angeschafft wurde, falsch oder gar nicht erzogen wurde und mit Sicherheit kein schönes Leben hatte, bleibt am Ende des Tages die Feststellung, dass er zwei Menschen getötet hat.
Im Hinblick auf das Verhalten des Hundes bedeutet das, er hat mit dem Töten dieser Menschen einen Zustand für sich beendet, der für ihn nicht akzeptabel war. Er hat jetzt gelernt, dass das Töten von Menschen, eine Erfolg bringende Strategie sein kann. Es gibt nur wenige Experten in Deutschland, die fähig sind mit so einem gefährlichen Hund zu arbeiten.
Wo wir gerade bei Tabubrüchen und Ungeheuerlichkeiten sind. Im Netz habe ich davon viele gesehen. Die Verstorbenen wurden als Untermenschen bezeichnet, die den Tod verdient hätten, weil sie dem Hund kein schönes Leben geboten hatten, oder nicht wussten, was ihr Hund brauchte um nicht aggressiv zu werden. Ich empfinde solche Einlassungen als menschenunwürdig und inakzeptabel.
Die getötete Frau und ihr ebenfalls getöteter Sohn hatten sich den Hund zu Ihrem Schutz, vor ihrem gewalttätigen Ehemann angeschafft. Dieser hatte sie mit einem Beil attackiert und so schwer verletzt, dass sie fortan auf den Rollstuhl angewiesen war.
War die Anschaffung aus falschen Motiven ein Fehler? War die Haltung des Hundes schlecht? Waren die Zwei Menschen mit der Erziehung so eines Hundes überfordert? Ja, ja und ja, das war alles ein Fehler. Hatten sie deshalb den Tod verdient? AUF KEINEN FALL!!!
Auf jeden Fall war auch die Vermittlung eines solchen Hundes zu zwei gesundheitlich schwer gehandicapten Menschen ein Riesenfehler. Hunde erkennen es, wenn ihr Halter eingeschränkt ist und passen Ihr Verhalten an. Wenn es sich dann noch um einen nachgewiesenermaßen verhaltensauffälligen Hund handelt, kann das bedeuten, dass er sich gegen seinen gehandicapten Halter wendet. Man liest, dass die Gefährlichkeit dieses Hundes bekannt war bei Behörden und Tierschutz. Er sei bereits als auffällig eingestuft gewesen.
Tierschutz ist ein schwieriges Geschäft, emotional gesehen. Als Tierschützer lernt man Menschen kennen, die grobe Fehler machen, Tieren schaden und unbelehrbar sind. Da entsteht Frust, das finde ich nachvollziehbar. Trotzdem ist guter Tierschutz aus meiner Sicht nur machbar, wenn man innerlich nicht verhärtet, nicht ständig von der „Bestie Mensch“ spricht und den kritischen Blick auf die zu vermittelnden Tiere dabei verliert. Nicht für jeden Hund kann man ein Zuhause finden, dass qualifiziert für den Umgang und die nötige Ausbildung ist. Eine Vermittlung unter dem Motto „Hauptsache der Hund hat ein Zuhause“, ohne zu hinterfragen, ob die Menschen das leisten können, was der Hund ihnen abfordern wird, ist verantwortungslos gegenüber den Menschen. Meiner Meinung nach sollte in solchen Fällen die Sicherheit der Menschen Vorrang vor dem Tierschutzgedanken haben.
Als dann der zweite tragische Fall passierte und bekannt wurde, dass ein sieben Monate altes Kind an einem Hundebiss gestorben ist, wurde es noch schlimmer. Die erste Petition gegen die Einschläfern des Hundes war geschrieben, noch bevor die Spuren der Attacke beseitigt waren. In vielen Facebook-Gruppen kamen die Kommentare, die kommen mussten. Sämtliche staatlich geprüften mit Paragraph Doofschein ausgestatteten Hobbypädagogen und Ultimativ-I-am-the-greatest-Rudelchef-Hundehalter standen bereit, um ihren Senf zum Drama beizusteuern.
Hier ein paar Auszüge:
„Ich habe auch zwei verhaltensauffällige Hunde zuhause und vier Kinder, da ist nie was passiert. Das kommt, weil ich mich schlau gemacht habe und konsequent bin…“
„Ja klar, jetzt muss der arme Hund sterben. Dabei haben nur die Eltern Schuld, die tun mir überhaupt nicht leid.“
„Jeder Hund wird aggressiv geboren, deshalb kann man die doch nicht töten, wenn sie ihrem Instinkt nachgeben…“
„Aggressiv ist nur gefährlich, wenn es abgerufen wird…“
„Kinderaggression ist was ganz anderes, als Menschenaggression, da kann man immer was machen….“
Was es da zu lesen gab, so bunt, so doof, so borniert, strotzend vor Unkenntnis, Dummheit, Selbstüberschätzung, Rücksichtslosigkeit und gefühllos ohne Ende. Meine Güte, das ist unerträglich. Hier zu behaupten, der Hund könne nichts dafür, die Eltern treffe allein die ganze Schuld am Geschehen, ist eine gewagte nicht zu beweisende Behauptung. Man weiß nicht was es war, dass den Hund angetriggert hat, dass er den tödlichen Angriff auf den Säugling durchführte. Tatsache bleibt, dass der Hund diese Trigger in sich trägt, was bedeuten kann, dass es jederzeit wieder zu einer tödlichen Attacke kommen könnte. Angesichts dieser Fakten, möchte man den Schreibern der unsäglichen Kommentare sagen – schaltet Euren verstand ein, überprüft mal bitte Euer Sozialempfinden, Eure Werte und findet zurück zur Menschlichkeit.